Träume von Räumen

Ein kuratorischer Text zur Ausstellung von Mona Jas, künstlerische Leiterin

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German:

Von der Künstlerin der Eröffnungsausstellung 2024, Rivane Neuenschwander, war in Träume von Räumen im Benedikt-Haus die Installation Rain rains zu sehen. Sie bestand aus Stahleimern, deren Böden durchlöchert sind. Über- und untereinander in verschiedener Höhe im Raum angebracht, konnten so Wassertropfen durch diese Löcher laufen und in die jeweils darunterliegenden Eimer tropfen. Der Klang von tropfendem Wasser regte zum Träumen an und erinnerte gleichzeitig an die Kostbarkeit von Wasser für die Bewohnbarkeit der Erde. Das Material der Eimer aus Metall schaffte dabei eine Verbindung zur Geschichte des Ausstellungsorts. Denn in diesem Gebäude St. Pöltens – mit seinem Kern aus dem 16. Jahrhundert – waren seit dem 18. Jahrhundert Eisenhändler ansässig. Rivane Neuenschwander war schon im Herbst 2023 im Austausch mit den Kindern und bot in Träume von Räumen eine Werkstatt zu ihrem Ausstellungsvorhaben 2024 an.
 

Rivane Neuenschwander Chove Chuva (2002) Regen regnet / Rain rains Edelstahleimer, Stahlgewinde, Leiter und Wasser © Liebentritt | buero butter

Im Auswahlprozess für die Skulpturen rund um das entstehende Gebäude im Altoonapark wirkten die Kinder der Kunstideenwerkstatt und der Kinderbeiratsgruppen mit. Vier der von ihnen ausgewählten Künstler:innen präsentierten in der Ausstellung Arbeiten und führten Workshops durch. Zu sehen waren Feathers of her Childhood (2023) von Daniela Brasil, Moonhouse (2022) von Peter Fritzenwallner, Regal für Berge (Berge) (1998) von Christine & Irene Hohenbüchler und mit ohne genau daneben (2023) von Andrea Maurer.

Daniela Brasils Arbeit ist vielfältig, seien es Installationen, die Erschaffung von Begegnungsräumen, Performances, Texte oder Geschichten. Die Künstlerin und Wissenschaftlerin interessiert sich vor allem für Co-Kreations-, Transformations- und Lernprozesse, die das Pluriversum wertschätzen. Mit ihrer Arbeit Feathers of her Childhood untersucht Daniela Brasil eigene Familien und Kindheitsgeschichte(n). In der Ausstellung Träume von Räumen öffnet die Künstlerin mit ihrer Installation aus Fotografien und Objekten ihr Archiv, indem sie unter anderem zu einem Spiel mit dem Peteca-Federballspiel aus Brasilien einlädt.

Feather of her Childhood (2023) | Daniela Brasil | Jute rug, feathers corn, fabrics, photographs | © Liebentritt | buero butter

Etwas weit Entferntes ganz nah in das Hier und Jetzt heranzuholen, das vermag das Moonhouse von Peter Fritzenwallner. Ein Teleskop soll hier den Blick in die Sterne ermöglichen: Planeten wie Jupiter und Saturn, der Mond sowie auch besonders große Sternhaufen (Melotte 111, Plejaden, M13). Science-Fiction, Mythologie, Umwelt können nach Fritzenwallners Konzept zusätzliche Themen bieten, um mit acht rollbaren Skulpturen zu spielen und/oder zu performen. Er stellt uns damit ein Instrumentarium zur Verfügung, mit dem wir neue Wege finden – zu den Sternen, zum Mond, zu neuen Planeten.

In Träume von Räumen listet der Autor Georges Perec Räume auf, beschreibt und systematisiert sie und verknüpft ihre Logiken, ihre Routinen auf neue Weisen: wie etwa Perecs Konzept einer Wohnung, die für jeden Wochentag ein Zimmer hat mit einer spezifischen Funktion. Das greifen Christine und Irene Hochenbüchler in der Ausstellung Träume von Räumen auf mit dem Regal für Berge (Berge). Ihr Werk holt den Berg, der „den Blick aufhält“, in die Ausstellung hinein. Ihre Installation ist eine Skulptur für Skulpturen und lässt damit das Schachtelsystem der hölzernen Matrjoschka-Puppen anklingen. In ein schlichtes Holzregal mit vier Brettern sind Objekte in Gelb, Rot, Hellgrün und Dunkelgrün gestellt. Die vier Plastiken ähneln Bergen in Miniaturform, können aber auch an überdimensionierte Eicheln erinnern. Die Verschiebung der Proportionen und die Verschachtelung der Räume können eine Verbindung zum Text von Perec herstellen und machen ihn für uns haptisch-sinnlich erfahrbar.

Wie Text und Schrift einen Raum schaffen können, vermittelt die Installation von Andrea Maurer mit ohne genau daneben. In ihrer Arbeit verbindet die Künstlerin abstrakte Formen der Buchstaben mit körperlich-räumlichem Erleben. Dazu lässt sie einen eigenen Kosmos entstehen, indem sie Sinn und Buchstaben auf einem begehbaren Podest zerlegt. In co-kreativen Workshops bietet sie dazu Experimente mit den Formen und Lauten von Buchstaben an. Sie folgt dabei keinen Vorschriften, sondern erfindet neue Spielregeln.

mit ohne genau daneben (2023) | Andrea Maurer | Installation/stage with wooden elements and paper | © Liebentritt | buero butter

Gefragt nach Gestaltungswünschen für die Innenräume des KinderKunstLabor entschieden sich die Kinder der Kunstideenwerkstatt für Arbeiten des Architekten Jakub Szczęsny und der Künstlerin Toshiko Horiuchi MacAdam. Aus ihren Entwürfen für das Gebäude konnten einzelne Elemente wie Kissen und Kletternetzteile erprobt bzw. sogar selbst in einem Workshop hergestellt werden.

Ebenfalls erprobt werden konnten die gemeinsam von Studierenden der New Design University (NDU) und Schüler:innen der ASO Schule St. Pölten erarbeiteten Materialarchive, die unterschiedliche Tasterlebnisse ermöglichen.

Das Wiener Designstudio mischer’traxler entwickelt mit den Kindern Skulpturen für Mensch und Tier. Das Co-Designprojekt begann im Sommer 2022. Aus den mit den Kindern entwickelten Entwürfen, wählten diese drei aus – einer davon wird nun umgesetzt. In der Ausstellung waren maßstabsgetreue Visualisierungen der filigranen und gleichzeitig benutzbaren Formen von Blätterburg und Blütenbett – Skulpturen für Mensch und Tier zu sehen.

Zuckerhut (2023) | mischer'traxler | Chalk pen, three-dimensional model, 690 x 220 cm | © Liebentritt | buero butter

Träume von Räumen für Kinder haben das Werk von Margarete Schütte-Lihotzky stark geprägt. Die Architektin gestaltete in St. Pölten 1953 ein eigenes Kinderhaus mit Kindermöbeln. Ein Fotoalbum von 1955 dokumentiert das Kinderleben in diesen Räumen und eine Werkstatt mit Zeitzeug:innen thematisierte dazu das Aufwachsen in Umbruchzeiten. Aus den Entwürfen zu dem berühmten Kinderhaus – bekannt als einer der schönsten Kindergärten Österreichs – rekonstruierte Christine Schwaiger, Professorin an der NDU, Kinderstühle für das KinderKunstLabor. In ihrer Werkstatt konnten Kinder zu ihren Träumen von Farben künstlerisch arbeiten und die ursprünglichen Entwürfe der Architektin neu interpretieren.

Die Künstler:innengruppe Mars + Blum entwickelte im Sommer 2022 mit Kindern mit Behinderungen in Zusammenarbeit mit dem Ambulatorium Sonnenschein künstlerische Verfahren mit Naturmaterialien. Für Träume von Räumen erschafften sie daran anschließend einen besonderen Raum im Raum: Ein wolkenartiges Gebilde mit dem Titel Langer Atem war zugleich Bewegungs-, Schreib- und Leseraum. Ebenfalls mit Sprache arbeitete die Künstlerin Munira Mohamud. Ihre Installation Klänge der Poesie stellte eine räumliche Verbindung von Sprache mit dem Körper her. Von dieser Arbeit ausgehend konnten die Kinder mit der Künstlerin eigene Klang-Gedichte entwickeln.

Langer Atem (2023) | Mars + Blum | Parachute silk, yarn, air, fans, hand cranks | © Liebentritt | buero butter

Als Ausblick auf zukünftige künstlerische Produktionen zeigte Träume von Räumen Arbeiten von Ulrike Müller und Laure Prouvost. Letztere wurden von den Kindern der Kunstideenwerkstatt und der Kinderbeiratsgruppen auf der Suche nach künstlerischen Positionen für den Altoonapark mit ausgewählt. Laure Prouvost hatte für den Park zwei kleine begehbare Hügel entworfen, von denen ihr erster Entwurf zu sehen war. 

Von der Künstlerin Ulrike Müller wurden vier Glasemailarbeiten aus den Serien Container, Sequitur und Hinges gezeigt. Die auf Stahl gebrannten abstrakten Kompositionen sensibilisieren durch ihre spezifische Materialität und Textur für die Wahrnehmung von Raum. Gleichzeitig verweisen sie durch ihre Zeichenhaftigkeit auf Text und Sprache. Für das KinderKunstLabor wird Ulrike Müller im Austausch mit den Kindern eine Wandinstallation entwickeln. 
 

© Liebentritt | buero butter

Daneben luden die Arbeiten von Christian Boltanski, Philippe Parreno und Jimmie Durham zu weiteren Träumen von Räumen ein. In dem unmöglichen Versuch, mit den Händen etwas vollkommen Rundes zu formen, knetete Christian Boltanski 1969 dreitausend kleine Tonkügelchen. Einige davon waren in der Ausstellung in einer Metallkiste zu finden. Die kleine Ansammlung von Kugeln weckt Erinnerungen an Räume der frühen Kindheit. Sie sind von Knetvorgängen ebenso geprägt wie von Wiederholungen: sei es beim Seilspringen, beim Singen oder beim Formen und Malen. Von Parreno war der Pigmentdruck El Sueño de una Cosa [Der Traum einer Sache] (2001) zu sehen. Im Gegensatz zu Boltanskis Arbeit deutete dieses Werk auf ein futuristisches Szenario hin und ließ den Blick in andere Räume, in Landschaften der Zukunft schweifen. The Vitrine of Childish Pleasures (2001) von Jimmie Durham hingegen erinnerte unmittelbar an den musealen Raum. Durham inszeniert in einer Vitrine bunte Objekte, die aus einer Sammlung ausgestopfter Tiere stammen könnten. Bei näherer Betrachtung wird jedoch klar, dass es sich um einen Scherz handelt: Statt der erwarteten Exponate stoßen wir auf Plastikformen mit Metallventilen, Schrauben, Taschenmessern, Ledergeldbörsen, Muscheln, Schalen und mehr, die der Künstler durch seine Montagen wie verschiedene Tiere aussehen lässt. 

The Vitrine of Childish Pleasures (2001) | Jimmie Durham | Mixed media (shells, seeds, wood, plastic and metal), display case 85 x 75 x 25 cm | On loan from the evn collection, Maria Enzersdorf | © Liebentritt | buero butter
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